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8. - 21. Oktober 2019
10 Arbeitsrecht & mehr Jobwoche.de
Hintergrund Nicht immer ist Diskriminierung
in einem Bewerbungsverfahren
Darf der Chef kranke Mitarbeiter
zu Hause anrufen? offensichtlich: Wenn ein
abgelehnter Bewerber Indizien
Vielleicht ist es nur eine Erkältung, die einen für ein paar
Tage außer Gefecht setzt. Oder eine längere Erkrankung, nennen kann, die eine
wegen der ein Arbeitnehmer zu Hause bleibt. Darf der Chef Benachteiligung vermuten
seinen Mitarbeiter dann dort anrufen? lassen, liegt es beim Arbeitgeber,
das Gegenteil zu beweisen.
«Anrufen kann der Arbeitgeber natürlich im Prinzip», sagt
Johannes Schipp, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Gütersloh. Ob FOTO: CHRISTIN KLOSE / DPA
der Arbeitnehmer dann aber ans Telefon gehe, könne dieser letzt-
endlich selbst entscheiden. Junge Ko
gesucht
Was darf der Arbeitgeber fragen?
Benachteiligt: So gehen Beschäftig
Es sei gesetzlich nicht geregelt, zu was der Arbeitgeber
Informationen einholen darf. «Der Arbeitgeber kann fragen, bis Eigentlich darf es nicht sein. Job. Die unterlegene Bewerberin
wann der Mitarbeiter voraussichtlich wieder kommt. Fragen zur Doch zu Diskriminierung kom- hat allerdings ein besseres
Erkrankung des Mitarbeiters, etwa was er denn hat, gehen den mt es besonders am Arbeits- Staatsexamen als die Frau, die
Arbeitgeber aber nichts an», erklärt Schipp. platz immer wieder. Bei die Stellenzusage erhält. Weil die
Stellenausschreibungen fängt Unterlegene einen türkisch klin-
Genauso wenig dürfe der Arbeitgeber Druck machen. Etwa, es an. «Junges Team sucht genden Namen hat, sieht sie sich
indem er darauf hinweist, wie oft der Arbeitnehmer schon krank junge Kollegen» heißt es da diskriminiert und erwägt zu kla-
war oder wann er spätestens wieder im Büro zu sein habe. «Das etwa in einer Job-Anzeige. gen.
hat keine rechtliche Relevanz», betont Schipp.
Für Johannes Schipp ein klarer Eine solche Situation kann ein
Kranke Mitarbeiter müssen keine Aufgaben übernehmen Fall von Diskriminierung. «Denn Anhaltspunkt für eine Diskrimi-
die Formulierung deutet darauf nierung sein, muss aber nicht.
Hat der Chef zu arbeitsplatzbezogenen Belangen Fragen, muss hin, dass Bewerbungen von älte- «Wenn die abgelehnte Stellen-
ein kranker Mitarbeiter das im Normalfall nicht beantworten. Es ren Beschäftigten keine Chance bewerberin Indizien nennen kann,
gebe aber Nebenpflichten im Arbeitsverhältnis - «vor einer nicht haben», erklärt der Rechtsan- die eine Diskriminierung vermu-
plausiblen Verweigerungshaltung ist also abzuraten», meint der walt, der in der Arbeitsgemein- ten lassen, dann liegt es beim
Fachanwalt. schaft Arbeitsrecht im Deutschen Arbeitgeber, das Gegenteil zu
Anwaltverein (DAV) tätig ist. beweisen», so Klapp. Wer einen
Schipp nennt ein Beispiel: So könne sich der Vorgesetzte etwa solchen Schritt erwägt, sollte sich
nach dem Computerpasswort eines Mitarbeiters erkundigen, Nicht immer ist bei einer Bewer- dafür Unterstützung suchen.
wenn dieser krank ist, damit die Arbeit weitergehen kann - solan- bung die Unterscheidung zwi-
ge sichergestellt ist, dass dieser nach der Rückkehr sein Passwort schen mangelnder Eignung und «Generell wird zwischen unmit-
wieder ändern kann. «Richtige Arbeitsaufgaben müssen erkrank- Diskriminierung offensichtlich. telbarer und mittelbarer Diskrimi-
te Arbeitnehmer von zu Hause aus aber nicht erledigen», stellt der Die beim Bundesvorstand des nierung unterschieden», erklärt
Fachanwalt klar. Deutschen Gewerkschaftsbun- Bernhard Franke, kommissari-
des (DGB) tätige Juristin Micha scher Leiter der Antidiskriminie-
Johannes Schipp ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Vorsitzender Klapp nennt ein Beispiel: Zwei rungsstelle des Bundes. Nach
des geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Juristinnen bewerben sich um dem Allgemeinen Gleichbehand-
Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein. eine Stelle, bei der ein über- lungsgesetz (AGG) ist beides
durchschnittlich gutes Staatsex- untersagt. Gleiches gilt für die
Die nächste JOBWOCHE amen Voraussetzung ist. Eine Belästigung einer Person auf-
erscheint schon am der beiden Frauen bekommt den grund ihres Geschlechts, ihrer
22. Oktober 2019 Religionszugehörigkeit, ihrer Welt-