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19. März - 1. April 2019 Beruf & Karriere 9
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Person von ihrer Leistung
abhängt.»
Rollenzuschreibungen können
das Hochstapler-Syndrom ver-
stärken. Wenn etwa die Rolle
des Intelligenten in der Familie
bereits besetzt ist und die betrof-
fene Person selbst eher für char-
mant oder hübsch gehalten wird,
«so kann das Gefühl entstehen,
die Rolle des eigenen Erfolgs
nicht zu verdienen, weil die ande-
ren ja eigentlich die Schlauen
und Intelligenten sind», erklärt
die Professorin.
in den 1970er Jahren bekannt. Laut der psychologischen Be-
Damals schrieben Wissenschaft- raterin Gunta Saul können die
ler erstmals über Menschen, die Selbstzweifel damit zusammen-
eigentlich sehr erfolgreich sind, hängen, welche Position man im
aber das Gefühl haben, zu Leben meint erreichen zu müs-
Unrecht in ihre berufliche Posi- sen. «Es könnte zum Beispiel
tion gekommen zu sein. Wer sein, dass man glaubt, man
unter dem Hochstapler-Syndrom müsse auf jeden Fall der Beste
leidet, kann den eigenen Erfolg sein und es muss einem zusätz-
nicht als selbst gemacht aner- lich alles noch besonders leicht
kennen, sondern führt ihn auf gelingen.»
äußere Umstände zurück.
Betroffene leben in ständiger Abhängig davon, wie stark das
Angst, dass irgendwann jemand Syndrom ausgeprägt ist, kann es
merken könnte, dass sie eigent- zu depressiven Verstimmungen
lich gar nicht so viel leisten kön- führen. Perfektionismus und der
nen, wie ihr Umfeld annimmt. Drang, die scheinbare Fassade
aufrecht erhalten zu müssen,
können einen Arbeitswahn aus-
lösen, bis hin zum Burnout. Doch
häufig merkten die Menschen
selbst gar nicht, dass sie betrof-
fen sind, hat Saul beobachtet.
Als Coach setzt sie auf Metho-
den wie Arbeitstagebücher. «Um
sich bewusst zu machen, dass
das Produkt überhaupt nicht vom
Himmel gefallen ist.»
Die Ursachen für das Hochstap- Laut Monika Klinkhammer hilft
ler-Syndrom können vielfältig es, sich klarzumachen, wie viele
sein. «Es ist eine Wechselwir- Menschen die eigene Leistung
kung zwischen Anlage, also einer bereits honoriert haben und dass
Persönlichkeitsstruktur, die eher der Erfolg kein Zufall sein kann.
ängstlich, emotional labil oder in- Gespräche mit Vertrauten könne
trovertiert ist, und bestimmten um- man nutzen, «um die Situation zu
weltbedingten Einflussfaktoren», relativieren», sich einerseits Mut
erklärt Rohrmann. Die Wissen- und andererseits ein ehrliches
schaft geht derzeit davon aus, Feedback zu holen. Denn auch,
dass bestimmte familiäre Struk- wenn man glaubt, beim letzten
turen die Ausprägung fördern Vortrag versagt zu haben -
können. «Wenn in der Familie ein Monika Klinkhammer weiß:
sehr hoher Leistungsanspruch «Meist nimmt das Umfeld die
besteht und die Kinder das Gefühl Situation ganz anders wahr als
haben, dass der Wert ihrer man selbst.» Text: Anke Dankers