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3. - 16. März 2020 Hintergrundwissen 5
Jobwoche.de
"Können Sie das Kopftuch nicht Aus dem Arbeitsrecht
nach der Arbeit aufsetzen?
Solche und ähnliche Fragen Dürfen Vorgesetzte das
sind im Vorstellungsgespräch Trinkgeld behalten?
nicht erlaubt.
Gastronomiefachkräfte rechnen fest damit - aber auch ande-
FOTO: MICHAELJUNG / ADOBE STOCK re Dienstleister bekommen regelmäßig von Kunden Trink-
geld. Aber wer darf das eigentlich behalten? Die Mitarbeiter?
Oder kann der Arbeitgeber die Zusatzgroschen einsacken?
«Das darf der Arbeitgeber natürlich nicht behalten», stellt Jürgen
Markowski, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Nürnberg, klar. Das
Trinkgeld stehe den Mitarbeitern zu. «Das ist ein Geldbetrag, den
ein Dritter dem Arbeitnehmer gibt, ohne dass dafür eine bestimm-
te Leistung erbracht wird.»
Diese Regelung sei auch in der Gewerbeordnung verankert,
erklärt der Fachanwalt. «Wenn es eine Kasse gibt, dann ist der
Arbeitgeber verpflichtet, das an die Mitarbeiter zu verteilen.»
Arbeitnehmer hätten sogar einen Auskunftsanspruch und dürfen
erfahren, wie viel in der Kasse ist. Zugleich könne der Arbeitgeber
aber nicht verlangen, dass Arbeitnehmer Trinkgeld, das sie
bekommen haben, in eine Gemeinschaftskasse einzahlen.
Die nächste JOBWOCHE erscheint am 17. März 2020
in ein Bewerbungsgespräch.» sieht auch keinen Grund, warum außer man bewirbt sich etwa bei Als ihr im Bewerbungsgespräch
es im Büro einer Sprachschule einer politischen Organisation. ungefragt mitgeteilt wurde, dass
Über eine bestehende Schwan- ein Kopftuchverbot geben solle. «In solchen Fällen kann es sie auf dem Flur nicht beten
gerschaft muss selbst dann nicht «Hier ist es relativ klar: Das geht erlaubt sein zu fragen, ob man dürfe, habe sie geantwortet: «Ich
gesprochen werden, wenn es um den Arbeitgeber absolut nichts nicht Mitglied beim politischen bin nicht zum Beten hier und
eine Bewerbung als Schwan- an.» Gegner ist», sagt Schipp. Bei werde auch nicht missionieren.»
gerschaftsvertretung geht, bestimmten Themen könne Das mit dem Missionieren war
erklärt Schipp. Ausnahmen Auch Fragen nach Krankheiten, sogar eine Offenbarungspflicht als Witz gemeint, wurde aber
könne es nur geben, wenn Suchtproblemen oder Behin- herrschen. Die gelte für Eigen- nicht so aufgefasst. Wer bei
jemand eine Stelle über den derungen dürfen normalerweise schaften, die für die Tätigkeit Bewerbungen mit unangemes-
gesamten Zeitraum etwa eines nicht gestellt werden, sagt von ausschlaggebender Bedeu- senen oder rassistischen
befristeten Arbeitsverhältnisses Schipp. Als Ausnahme gilt, wenn tung sind: Wer sich als Last- Situationen konfrontiert wird,
nicht antreten kann - beispiels- ein bestimmter Job dadurch kraftwagenfahrer bewirbt, aber dem empfiehlt Ulfat-Seddiqzai,
weise, weil Schwangere in dem nicht ausgeübt werden kann. keinen Führerschein hat, muss sich nicht entmutigen zu lassen -
Beruf einem Beschäftigungs- Gleiches gilt für Vorstrafen: das offenlegen. sondern es immer wieder zu pro-
verbot unterliegen. Ansprechen müssen Bewerber bieren.
und Bewerberinnen sie nur, Vor einem Bewerbungsge-
Unzulässig sind Fragen nach wenn für die Arbeitsstelle wichtig spräch empfiehlt es sich darüber Wer im Bewerbungsprozess
Krankheiten oder Vorstrafen sind. Eine Vorstrafe wegen nachzudenken, welche Infor- ohne sachlichen Grund ungleich
Trunkenheit im Verkehr sei für mationen man preisgeben sollte behandelt wurde, kann nach
Bei der Frage nach dem einen Bankangestellten nicht und welche nicht. Ratsam ist Paragraf 15 des Allgemeinen
Kopftuch hat Ulfat-Seddiqzai relevant, für einen Busfahrer hin- auch zu überlegen, wie man auf Gleichbehandlungsgesetzes
wahrheitsgemäß geantwortet. gegen schon. unzulässige Fragen reagieren (AGG) Schadensersatzan-
Laut Schipp hätte sie jedoch würde. «Ich gebe Antworten, die spruch geltend machen, erklärt
sagen können, was sie möchte. Bewerber haben auch eine möglichst schlagfertig sind», Evelyn Räder. Die Schwierigkeit
In ihrem Fall ging es um zukünf- Offenbarungspflicht erzählt Jasamin Ulfat-Seddiqzai. bestehe jedoch darin, eine
tiges Verhalten, erklärt er. Eine Strategie, die auf jeden Fall Benachteiligung zu beweisen.
Der Arbeitgeber habe später Auch nach einer Gewerkschafts- funktioniere, gebe es aber nicht. «Daran scheitern die Klagen
nicht das Recht, Absichtserklä- oder Parteizugehörigkeit dürfe Wer klagt, muss Benachteili- nicht selten», sagt Johannes
rungen einzufordern. Der Anwalt der Arbeitgeber nicht fragen - gung beweisen. Schipp.