Berufsabschluss auch ohne Ausbildung - Die Externenprüfung

Berufsabschluss auch ohne Ausbildung - Die Externenprüfung
Auch wer keine Ausbildung durchlaufen hat, kann als sogenannter «Externer» an den Abschlussprüfungen teilnehmen und so seinen Abschluss nachholen. Foto: Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa-tmn

Ohne formalen Berufsabschluss bleiben im Berufsleben im Zweifel viele Türen verschlossen. Wer das nachholen will, muss nicht zwingend eine Ausbildung absolvieren.

 

Berlin/Bonn (dpa/tmn) - Er wollte endlich zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden. Doch Georgius Mygiakis wusste: Ohne Abschluss landet seine Bewerbung sofort im Mülleimer. Dabei verfügte er durchaus über eine berufliche Qualifikation. Mygiakis war während seines Studiums an einer Universität als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig - in der Computeradministration. Die Stelle fiel irgendwann weg. Sein Studium brach er ab. Dann kam die Arbeitslosigkeit.

 

Rund zwei Jahre hat er gebraucht, um wieder einen Job zu finden. Gelungen ist es ihm durch die Externenprüfung. «Bei der Externenprüfung können Personen zur Gesellen- oder Abschlussprüfung zugelassen werden, die keine Berufsausbildung absolviert haben», erläutert Vanessa Thalhammer von der Bundesagentur für Arbeit. Sie bekommen damit die Chance, einen formalen Berufsabschluss zu erreichen und ihre beruflichen Perspektiven zu verbessern.

 

Mygiakis hatte durch einen privaten Bildungsträger von der Option erfahren. Er wollte nicht noch mehr Zeit verschwenden, erzählt er, also entschied er sich für diesen Weg. Dazu musste er die Abschlussprüfung bestehen, die auch am Ende einer dualen Berufsausbildung steht.

 

Zeit im Beruf ist entscheidende Voraussetzung

Der sogenannte Externe kann sich für «die gleichen schriftlichen und praktischen Prüfungen anmelden, wie alle anderen auch», erklärt Andreas Truglia von der Industrie und Handelskammer Berlin den Ablauf. Entscheidende Voraussetzung ist die Länge der eigenen Berufspraxis. Beträgt sie mindestens viereinhalb Jahre, dann besteht bereits Rechtsanspruch auf eine Zulassung.

 

Im Berufsbildungsgesetz und in der Handwerksordnung ist festgelegt: Zu einer Abschlussprüfung darf, wer mehr als das Anderthalbfache der üblichen Ausbildungszeit in einem Beruf nachweisen kann. Unter Umständen ist ebenfalls eine Zulassung bei weniger Jahren möglich. Der Externe muss dafür seine berufliche Handlungsfähigkeit glaubhaft vorzeigen können. Das erfolgt vor allem durch Arbeitszeugnisse sowie Arbeitsbescheinigungen.

 

Der Vorteil der Externenprüfung liegt vor allem darin, dass die Vorbereitung in sechs bis zwölf Monaten zu bewältigen ist. Mygiakis hat es wegen seiner Fachkenntnisse in neun geschafft. Verglichen damit kann eine Ausbildung bis zu drei Jahre gehen, bei einer Umschulung sind es normalerweise zwei.

 

Termine im Frühjahr und im Herbst

Informationen zur Externenprüfung bekommen Interessierte bei den Vermittlungs- und Beratungsfachkräfte der Agenturen oder den Integrationsfachkräfte der Jobcenter. Wer berufstätig ist, findet Ansprechpartner bei Bildungsträgern, der IHK und beim Prüfungsausschuss der Handwerkskammer oder der Innung. Jeweils für einen Termin im Frühjahr oder im Herbst kann sich der Teilnehmer zu einer Abschlussprüfung anmelden, das funktioniert bei den Industrie- und Handelskammern auch online. Grundsätzlich gilt: Zuständig ist die Kammer am Wohnort.

 

Nach der Zulassung heißt es: Für die Prüfung pauken. Das stellt für viele die größte Hürde dar. Truglia erklärt das damit, dass «der ganze theoretische Unterbau fehlt. Die Berufsschul-Inhalte müssen sich die Externen dann für die Prüfungen selbst beibringen.»

Die Agentur für Arbeit verweist zusätzlich darauf, dass un- und angelernte Arbeitnehmer oft lange keine Schule oder Ausbildungseinrichtung besucht haben. Dementsprechend sind Lerntechniken womöglich nicht mehr so präsent. Sich wieder einzuarbeiten, kann umso schwerer fallen.

 

Vorbereitung in Eigenregie oft schwierig

Deshalb ist es zwar eine Option, sich autodidaktisch vorzubereiten. Lernmaterial bieten zum Beispiel die IHK oder die Kammern an, auch mit entsprechenden Fachbüchern lässt sich der Stoff nachholen. Der einfachere Weg ist es jedoch oft, sich das Prüfungswissen an Bildungsinstituten oder in speziellen Vorbereitungslehrgängen anzueignen. Sie sind zum Teil kostenpflichtig, werden aber meist individuell darauf abgestimmt, was genau der Externe für die Prüfung benötigt.

 

Zweck ist, die Ausbildungsinhalte zu vermitteln, «die über das Sammeln von Berufserfahrung hinausgehen und prüfungsrelevant sind», erklärt das Bundesinstitut für Berufsbildung. Es geht vor allem um theoretische Inhalte, die im Rahmen einer regulären Ausbildung im Berufsschulunterricht vermittelt werden. Das Prüfungsfach Wirtschafts- und Sozialkunde zählt beispielsweise dazu, aber auch Teile der betrieblichen Ausbildung.

 

Besondere Zielgruppe für die Externenprüfung sind junge Erwachsene bis 34 Jahre, «darunter zu einem hohen Teil Menschen mit Migrationshintergrund», heißt es beim BIBB.

 

Und so wie es aussieht, lohnt sich der Schritt. Aktuelle Zahlen des BIBB für 2018 zeigen, dass von den rund 25 600 «extern zugelassenen Prüfungsteilnehmern» etwa 21 000 die Prüfung bestanden haben. Die IHK stellt unabhängig davon fest, dass «die Bestehensquote von Externen identisch ist mit denen aus den regulären Ausbildungsberufen». Auch Georgius Mygiakis hatte Erfolg. Er schloss als Externer seine Abschlussprüfung zum Fachinformatiker ab.

 

Von Hendrik Polland, dpa