Arbeiten ohne Ausbildung?
Wer keine beruflichen Qualifizierungen hat, muss mit Nachteilen in der Arbeitswelt rechnen. Doch welche Möglichkeiten haben Ungelernte, sich weiterzubilden oder einen Abschluss nachzuholen?
Kein Schulabschluss, keine Berufsausbildung: Trotzdem gibt es für Ungelernte Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Sie arbeiten etwa im Lager, am Fließband, im Reinigungsbereich, als Helfer in der Küche oder im Büro. Im Handwerk gibt es in bestimmten Bereichen ebenfalls Jobs für Ungelernte.
Gut 5,5 Millionen sozialversicherungspflichtige Beschäftigte in Deutschland hatten nach einer Statistik der Bundesagentur für Arbeit zum Stichtag 31. März 2022 den beruflichen Status Helferin oder Helfer. Zum Vergleich: Am 30. Juni 2013 waren es rund 4,03 Millionen Menschen.
Auch wenn die Zahl der Helferinnen und Helfer über die Jahre gestiegen ist: Unter allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten - 34,3 Millionen gab es zum Stichtag 31. März 2022 deutschlandweit - machen sie nur einen vergleichsweise geringen Anteil aus.
Jobs oft über Leiharbeitsfirmen
Typisch bei Tätigkeiten, für die keine besonderen Qualifikationen erforderlich sind: Solche Stellen werden überwiegend von Leiharbeitsfirmen ausgeschrieben. «Dies beschleunigt die Jobsuche, heißt aber auch, ein Dritter verdient mit», sagt Olaf Craney vom Deutschen Verband für Bildungs- und Berufsberatung. Man kommt zu solchen Jobs aber auch über Beziehungen, Kontakte oder Initiativbewerbungen.
Die erste Kontaktaufnahme erfolgt in aller Regel eher formlos. «Man geht zu einem potenziellen Arbeitgeber und spricht vor», erklärt Craney. Ansprechpartner sind in der Gastronomie etwa die Restaurantbesitzerin oder im Baubereich beispielsweise der Maurermeister.
«Bei solchen Gesprächen ist es aufgrund fehlender Qualifikationen immer besser, bisherige berufliche Erfahrungen und persönliche Stärken in den Vordergrund zu stellen», rät Christian Ludwig von der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg.
Abschlüsse nachholen
Wer ohne formale berufliche Qualifikationen einen Job bekommen hat, kann sich allerdings in beruflicher Hinsicht nicht unbedingt in Sicherheit wähnen.
Erstens ist die Bezahlung oft vergleichsweise schlecht. Zweitens sind die Tätigkeiten von Ungelernten oft solche, die sonst niemand machen möchte. Und drittens sind Ungelernte nicht selten die ersten, die die Kündigung erhalten, wenn ein Unternehmen in eine Krise gerät. «Das sind alles gute Gründe für Ungelernte, möglichst schnell Abschlüsse oder wenigstens Qualifizierungen anzugehen», sagt Olaf Craney.
Ein Weg kann sein, den Arbeitgeber, bei dem man gerade beschäftigt ist, gezielt anzusprechen und um Unterstützung zu bitten bei dem Vorhaben, einen Schulabschluss und eine Ausbildung nachzuholen. Der Arbeitgeber kann sich wiederum an die Agentur für Arbeit wenden und sinngemäß sagen: «Ich habe hier einen engagierten und motivierten Helfer, aus dem ich gerne eine Fachkraft machen möchte.»
Für solche Fälle gibt es von der Agentur für Arbeit Zuschüsse zum Arbeitsentgelt. «Oft ist es sogar möglich, dass die Ausbildung verkürzt werden kann, wenn der Helfer oder die Helferin durch die Helfertätigkeit entsprechende praktische und theoretische Erfahrungen aufweisen kann», sagt Olaf Craney.
Eigene Stärken herausarbeiten
«Ungelernte können sich aber auch selbst bei der örtlichen Arbeitsagentur beraten lassen und sich dort über Fördermöglichkeiten informieren», erklärt Christian Ludwig. Wichtig im Vorfeld: Betroffene sollten sich über ihre eigenen Stärken und Interessen in Ruhe Gedanken machen und sie klar benennen können.
Mit dem Bürgergeldgesetz, das am 1. Januar 2023 in Kraft getreten ist, werden die Möglichkeiten zur Qualifizierung, vor allem von Geringqualifizierten, noch einmal gestärkt. Im Fokus sind hierbei unter anderem abschlussorientierte Weiterbildungen.
«Zudem ist der Erwerb eines Berufsabschlusses auch über Teilqualifizierungen möglich, die über einen längeren Zeitraum laufen», sagt Christian Ludwig. Teilqualifizierungen bedeutet: Die Ausbildung wird in Etappen absolviert. Diese bauen aufeinander auf, jede einzelne Etappe führt zu einem Zertifikat.
Weiterbildungsprämien winken
Um Ungelernte zu motivieren und ihr Durchhaltevermögen bei einer abschlussorientierten Weiterbildung zu stärken, gibt es ab dem 1. Juli 2023 ein monatliches Weiterbildungsgeld in Höhe von 150 Euro.
Zudem winken Weiterbildungsprämien für bestandene Zwischen- und Abschlussprüfungen. Bei einer bestandenen Zwischenprüfung beträgt die Prämie 1.000 Euro, bei einer bestandenen Abschlussprüfung gibt es 1.500 Euro.
Wer an einer Weiterbildung, die nicht auf einen Berufsabschluss zielt und länger als acht Wochen dauert, teilnimmt, hat ab Juli 2023 Anspruch auf den sogenannten Bürgergeldbonus - er beträgt für die Dauer der Qualifizierung 75 Euro monatlich. Olaf Craney zieht insgesamt ein positives Fazit: «Für Ungelernte gibt es gute Optionen, einen Schul- und Berufsabschluss zu erlangen.»
Text: Sabine Meuter (dpa)